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Was Trans Menschen über den Trans Day of Visibilty denken

Der 31. März ist der Trans Day of Visibility. Der FC St. Pauli möchte diesen Tag nutzen, um Trans Menschen nach ihrer Sicht auf diesen Tag zu fragen. Daher haben wir mit Ixchel, Emil und Ina gesprochen, die ihre Erwartungen, Hoffnungen und auch Kritik schildern.

Ixchel: „Ein solcher Tag kann helfen, Trans Personen und Unterstützer*innen besser zu vernetzen - sowie insgesamt mehr Sichtbarkeit und Bewusstsein zu schaffen. Denn es gibt noch sehr wenig Wissen über Trans Menschen, auch in der linken Szene ist das so. Außerdem werden trans Rechte oft als bürgerliche Individualinteressen abgetan, wichtiger seien gesamtgesellschaftliche Kämpfe, auf die man sich konzentrieren solle. Dabei ist es viel sinnvoller, verschiedene Themen miteinander zu vernetzen, denn sie hängen zusammen. Beispielsweise konnte ich mich häufig bei meinem Arbeitgeber nicht als Trans Person outen, das ist unmöglich in den bestehenden Arbeits- und Herrschaftsstrukturen. Vor allem in der jüngeren Generation gibt es schon ein großes Interesse zu dem Thema, da sich viel mehr von uns (jüngeren) die Frage stellen: „Wer bin ich eigentlich?“. Genau für diese Menschen ist es gut, wenn das Thema der eigenen Identität nicht immer zum Kampfmittel für andere Zwecke genutzt wird, sondern einen eigenen Platz in Diskussion bekommt.

Natürlich ist es unmöglich, an einem Tag alle Probleme zu lösen. Es ist vielleicht ein Anfang, um das Thema Trans Rechte stärker in die Öffentlichkeit zu bringen. Das geschieht noch viel zu wenig. Bislang nehme ich diesen Tag in der Öffentlichkeit kaum wahr, er spielt bislang keine wirkliche Rolle. Umso lächerlicher sind die Behauptungen von einer mächtigen "Trans-Lobby". Es ist das genaue Gegenteil: Trans Menschen werden von verschiedenen Seiten attackiert, vor allem von der Rechten, aber auch TERFs und anderen Gruppierungen. Ob ein solcher Tag dabei hilft, weiß ich nicht. Ich habe festgestellt, dass ich vor allem in persönlichen Gesprächen ein Nachdenken in Gang bringen kann. Denn ein Tag ist schnell vorbei, aber persönlicher Austausch bleibt oft länger hängen.

Ixchel ist 23 Jahre alt und spielt seit zehn Jahren bei Sankt Pauli Fußball: "Im Lockdown während COVID erkannte ich, dass ich nicht in das binäre System passe und startete den Prozess der Transition mit dem Ziel, mich in meinem Körper endlich wohlzufühlen. Ein Ziel, das ich nicht zuletzt auch wegen der großen Unterstützung meines Umfelds erreichen konnte."

"Sichtbarkeit allein reicht nicht"

Emil*: „Für mich bedeutete der Trans Day of Visibility immer nur, dass Konzerne und Parteien sich für einen Tag unsere Flagge auf das Logo schreiben. Dass ein einziger Tag im Jahr für Sichtbarkeit nicht reicht, ist wohl klar. Aber genauso frage ich mich, ob Sichtbarkeit generell reicht?

Hier ist das Problem mit dem Trans Day of Visibility. Zwar ist es wichtig, dass Menschen positive Bilder von trans Personen zu sehen bekommen, um den Entmenschlichungen durch rechte Politik entgegenzuwirken, jedoch darf der Fokus unseres Kampfes nicht nur auf Sichtbarkeit liegen. Sichtbarkeit ist wichtig, doch wird die verbesserte Wahrnehmung der Gesellschaft uns nicht alleinig die politische Befreiung zur Selbstbestimmung schaffen. Wir müssen uns darauf fokussieren, das Bewusstsein von Menschen für den Kampf von trans Menschen aufzubauen, nicht nur für deren Existenz. Doch das schaffen wir nicht dadurch, dass Jahr für Jahr eine neue mittelmäßige Serie auf Netflix veröffentlich wird. Das neue Selbstbestimmungsgesetz, welches eine große Enttäuschung für uns trans Personen dargestellt hat, zeigt, dass die wachsende Sichtbarkeit nicht für den Wandel sorgt, den wir brauchen und fordern. Einen Kampf gegen die systematische Unterdrückung schaffen wir, indem wir Menschen unseren Kampf zeigen, unsere Probleme und sie dazu bringen sich mit uns zu solidarisieren und sich uns anzuschließen. Nicht nur am Trans Day of Visibility, sondern jeden Tag im Jahr.

Auch die CSDs sind in den letzten Jahren immer weiter zu einer großen Party geworden, die nur noch im Entferntesten etwas mit den Stonewall-Aufständen zu tun haben, denen der CSD entspringt. Hier sehen wir, wie der Anspruch „Sichtbarkeit zu zeigen“, wie es auch der TDoV als Anspruch hat, die Existenz und den Widerstand von LGBTI+ Personen entpolitisiert. Damit wird eine Art Vereinbarung mit dem System der Unterdrückung eingegangen. „Dafür, dass ihr uns so wie wir hier in diesem System existieren toleriert, werden wir uns nicht gegen dieses System auflehnen.“

Doch wir brauchen wieder politischen Widerstand. Auch St. Pauli und die Fans des Vereins sollten diesen Anspruch auf politisches Weiterdenken verinnerlichen und sich trauen, sich weiterzuentwickeln und sich an Kämpfen von trans Personen zu beteiligen. Organisieren wir uns, um im Kampf um ein selbstbestimmtes und freies Leben, Seite an Seite mit allen LGBTI+ Personen zu stehen.“

Emil (*Name geändert), 19, ist seit seinem ersten Lebensjahr St.Pauli-Fan, hat früher beim FCSP Fußball gespielt, ist Gründungsmitglied des Fanclubs „Braun Weiße Glücksbärchi Brigarde“ und hat sich mit 16 Jahren als trans geoutet.

"Wir müssen mehr Wissen vermitteln"

Ina: Die Sichtbarkeit von Transpersonen wird von Jahr zu Jahr immer wichtiger. Denn dem Großteil der Bevölkerung ist nicht bewusst, wie viele Menschen davon betroffen sind. Es kommt nicht selten vor, dass Kollegen auf der Arbeit oder Freunde und Bekannte in der Freizeit davon betroffen sind. Meistens halten sie es aber versteckt. Sei es aus Scham oder aus Angst, weil es in der übrigen Gesellschaft noch lange nicht selbstverständlich geworden ist.

Allerdings steigt die Zahl dieser Menschen stetig an. Nicht zuletzt, weil Aktionen wie CSD, diverse Queere Partys oder auch die Loveparade in den vergangenen Jahren immer größer und lauter wurden. Das machte vielen aus der Queeren Gesellschaft großen Mut, und immer mehr fingen an sich zu outen.

Zeitgleich entstanden allerdings in der Cis-Bevölkerung immer mehr Missverständnisse. Schwule, Lesben und Transvestiten konnte man vielleicht noch einordnen. Aber Nonbinär und in den Sprachschatz neu aufgenommene Pronomen sowie eine völlig neue, genderechte Sprache führten oft  zu Ablehnungen und Unverständnis. Meist nur, weil die Hintergründe nicht bekannt waren.

Es muss also verbreitet werden, dass es Transmenschen gibt. Transfrauen und Transmänner wurden, genau wie Homosexuelle Menschen auch, von der Natur gemacht. Nicht von der Gesellschaft. Und es ist auch keine Krankheit. Eine Tatsache, die vielen Mitbürgern nicht bewusst ist. Genauso wie die Tatsache, dass Transgeschlechtlichkeit, im Gegensatz zur Homosexualität, nichts mit der sexuellen Ausrichtung zu tun hat, was die die Wahl des Partners angeht. 

Es muss Transparenz und Ordnung durch Aufklärung geschaffen werden. Man kann von Nichtbetroffenen nicht erwarten, dass sie bei diesem (meist recht komplexen) Thema sich eigenständig informieren. Das ist unsere Aufgabe.“

Ina, geboren 1969 als Ingo, ist Veranstaltungstechnikerin und unterstützt regelmäßig die Durchführung von Veranstaltungen am Millerntor. Sie lebt seit Ende der 1990iger Jahre in Hamburg, hat seit 2005 einen Sohn und ist in einer Beziehung mit einer Frau. Zu ihrem Coming out berichtet sie: Seit frühester Kindheit fühlte ich mich schon irgendwie anders, aber hielt dies immer geheim. Meine Kleidung hielt ich versteckt und schlich mich nur heimlich nachts heraus. Erst mit Anfang/ Mitte 40 fing ich langsam an, das Weibliche in mir nach außen zu tragen. Über das Internet entstand nach und nach ein reger Austausch mit Gleichgesinnten, und ich besuchte Stammtische und queere Partys in ganz Deutschland. Bis dahin bezeichnete mich selbst nur als Crossdresser. Ich ‚hasste‘ mein männliches Leben auch nicht, und liebte und liebe meinen Beruf und mein Hobby (Schlagzeugerin in einer Band). Doch je öfters und mehr ich das Weibliche nach außen trug, desto mehr gewann diese Seite an Oberhand, sodass ich im Jahr 2021 therapeutische Hilfe aufsuchte und mit der gegengeschlechtlichen Hormontherapie begann. Seitdem lebe und arbeite ich als Frau. Meinen Namen und meinen Personenstand änderte ich offiziell Anfang 2024. Noch in diesem Jahr strebe ich auch die geschlechtsangleichende Operation an.“

Fiktive Kampagne "TRANS*PAULI" 

Wir danken Ixchel, Emil und Ina für ihre Bereitschaft, mit uns zu sprechen und verschiedene Denkanstöße zu dem Trans Day of Visibilty zu geben.

Zudem möchten wir auf die bislang fiktive Kampagne „TRANS*PAULI“ hinweisen. Angesichts des bevorstehenden Selbstbestimmungsgesetzes für Trans* Menschen steckt hinter dieser Initiative die Idee, ein starkes Signal zu setzen: „Die Botschaft ist klar: Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir sind noch nicht am Ziel“, heißt es dazu auf der Webseite zur fiktiven Kampagne, die ein Aufruf sein soll, gemeinsam weiterzugehen und sicherzustellen, dass jeder Mensch die Freiheit hat, sein oder ihr Leben ohne Einschränkungen zu leben." „TRANS*PAULI“ soll eine Plattform schaffen, um Vielfalt, Respekt und Selbstbestimmung zu zelebrieren – Werte, die auch der FCSP stets vertreten hat.

 

(pg)

Fotos: FC St. Pauli

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