Kiezbeben-Special: "Totale Anzündung" - Thees Uhlmann und der FC St. Pauli
Donnerstag, 19. September 2019, 10:00 Uhr
Mit „Das hier ist Fußball“ hat er eine inoffizielle Stadionhymne geschrieben – mit „Junkies und Scientologen“ feiert er sein musikalisches Comeback: Am Freitag (20.9.) kommt Thees Uhlmanns neues Album in die Plattenläden. Am heutigen Donnerstag (19.9.) ist es ab 23:30 Uhr bei Thees‘ Label Grand Hotel van Cleef in der Feldstraße 36 zu hören und ab Mitternacht auch zu kaufen. Wir sprachen mit Thees Uhlmann über die Jahre, die ihn zum FC St. Pauli-Fan gemacht haben – und was sie bis heute für ihn und seine Musik bedeuten.
„Auf meinem Grabstein steht: Gestorben um 19 Uhr 10“ heißt es in der ersten Strophe von Thees Uhlmanns Single „Fünf Jahre nicht gesungen“. Es ist die erste seit – nun ja – fünf Jahren. Offensichtlich hat das offizielle Geburtsjahr des FC St. Pauli nicht nur 1910 e.V. als Betreiberverein des FC St. Pauli-Museums seinen Namen gegeben, sondern auch anderweitig Spuren hinterlassen.
Bei Thees Uhlmann hat das eine Menge mit den Jahren zu tun, die die aktuelle Ausstellung „KIEZBEBEN“ zeigt. Gerade wurde sie bis zum 5. Oktober verlängert, geöffnet ist sie immer Donnerstag und Freitag von 16 bis 22 sowie Sonnabend und Sonntag von 11 bis 19 Uhr im FC St. Pauli-Museum in der Gegengerade (Heiligengeistfeld 1).

Eine Wand mit Fotos im FC St. Pauli-Museum erzählt vom VIVA ST. PAULI-Festival 1991. Unter den rund 20.000 BesucherInnen war auch Thees Uhlmann.
Eine Wand mit großen Konzertfotos in der zweiten Hälfte der Ausstellung markiert eine wichtige Zäsur – für den Verein und für Thees: „Das VIVA ST. PAULI-Festival 1991 war eine Ruhmesstunde meiner späten Jugend“, erinnert sich Thees Uhlmann, damals 17 und nicht als Musiker, sondern als Fan unterwegs. „In irgendeinem Fanzine hab ich die Werbung gesehen. Für mich war das strukturell total super, weil das schon mittags anfing. Ich konnte also meinen Eltern einfach sagen: ‚Ich fahr mal eben nach Hamburg’, und da wurde nicht groß gefragt. Wir sind dann mit dem Zug hingefahren. Und alles, was danach kam, war einfach die totale Anzündung von mir.“
Die Idee hinter dem Festival: Öffentlichkeit zu schaffen für die Hafenstraße, deren BewohnerInnen zu dieser Zeit erneut eine Kündigung und Räumung befürchten mussten (wir berichteten: KLICK!). Und das mit einem Programm, so bunt wie das Viertel – das „Schulorchester Friedrichstraße“ war ebenso dabei wie die die „Einstürzenden Neubauten“.

„Das hier ist Fußball“: Thees Uhlmann beim ersten Weinfest gegen Rassismus im FC St. Pauli-Museum (2017).
„Ich konnte das überhaupt nicht glauben, dass so berühmte Bands wie die Goldenen Zitronen, die Toten Hosen oder Slime da ganz billig für 12 Mark oder so gespielt haben“, erzählt Thees. „Und dann dieses Unkontrollierte – dass man da mit gestandenen Punks auf nem Konzert war und Open Air und es waren so viele Leute… “
Hinweise zur musikalischen Sozialisation gab es drauf zu: „Wir kannten uns wirklich noch nicht so gut aus mit Subkultur, und so haben wir dann auch einfach mitgesungen bei Achim Reichel, ‚Aloa heja he‘ ... So’n Typ neben mir, gefühlt so ‚Skinheads St. Pauli‘, die es damals noch gar nicht gab, der sagte nur: ‚Hey, hör mal auf zu singen, das ist total peinlich.‘ Da wird man so subkulturell von der Seite angepflaumt – das hat mir sehr viel bedeutet.“

„Genialer Freak“: Volker Ippigs Sportstudio-Auftritt hatte auch für Thees Uhlmann große Bedeutung. Im KIEZBEBEN gibt‘s das Video mit Volker Ippigs Kommentar dazu von heute!
Parallel zu den ersten Spielen am Millerntor waren Thees und Freunde auch nach dem VIVA ST. PAULI-Festival häufig in der Hafenstraße zu Gast: „Ich wollte ja mit aller Macht in die Subkultur und Sachen selber in die Hand nehmen, und für so was braucht man ja immer auch Vorbilder. Wir sind früher ganz häufig in den ‚Störtebeker‘ gefahren. Wir kamen zwar aus Hemmoor, aber da in der Hafenstraße haben unsere Lieblingsbands gespielt: Sherlock Fish. Spermbirds. Dackelblut... Stemmi, der damals bei Tomte gespielt hat [Thees Uhlmanns frühere Band, d. Red.] hat sich von seinem Vater so nen richtig teuren, aufgetunten Opel Omega geliehen. Das war damals das erste Auto mit Bordcomputer. Und wir hatten dann natürlich immer Angst: ‚Hoffentlich passiert dem Auto nix.‘ ...“
Die Schwellenangst vor dem 1990 gegründeten ersten Fanladen (im KIEZBEBEN in Originalgröße nachgebaut) hatte Thees Uhlmann da schon überwunden: „Als ich meine ersten ‚St. Pauli-Fans gegen Rechts‘-Aufkleber gekauft habe von Sven Brux, 50 Stück für zwei Mark, dachte ich nur: ‚So viele Aufkleber für so wenig Geld – ist das cool‘. Das Gefühl, bei mir auf dem Dorf in Hemmoor diese Aufkleber zu kleben, das Gefühl bleibt.“

Die neue Thees-Uhlmann-Platte „Junkies und Scientologen“ kommt am Freitag (20.9.) in die Plattenläden.
Ebenso wie die Erinnerung an seinen ersten Leserbrief im Fanzine „Übersteiger“. Thema: „St. Pauli-Willi“. „Der Brief wurde abgedruckt, und das hat mich für immer angezogen“, erinnert sich Thees in einer aktuellen Folge des Podcasts „Millernton“: „Da liest man Thees Uhlmann zum ersten Mal in einer Zeitung, die man selber kauft. Das war toll!“
Der allererste Flirt mit dem FC St. Pauli kam allerdings noch früher: „Ganz klar, das war dieser Sportstudio-Auftritt 1988 mit Volker Ippig. Den hab ich zu Hause in Hemmoor gesehen und dachte nur: ‚Genialer Freak.‘ Nicht so funktionieren, wie alle sich das für dich ausgedacht haben – das finde ich nach wie vor toll.“
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TIPP: am Donnerstagabend (19.9., 20 Uhr) spielt im Rahmen der KIEZBEBEN-Nächte der Singer/Songwriter Jakob Mühleisen im FC St. Pauli-Museum. Die Ausstellung ist von 16 bis 22 Uhr geöffnet. Die perfekte Gelegenheit, Ausstellungsbesuch und Konzert in der Gegengerade mit Thees-Uhlmann-Mitternachtsshopping in der Feldstraße 36 zu verbinden!
Weitere Infos:
Website von Thees‘ Label Grand Hotel van Cleef
Umfrage zum FC St. Pauli-Museum
(cn)
Fotos: Sabrina Adeline Nagel / Archiv 1910 e.V. / Grand Hotel van Cleef