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Wir müssen nicht nur das Klima retten - sondern auch den Fußball!

Die Meldungen über unbespielbare Trainingsplätze und wetterbedingte Spielabsagen häufen sich. Extreme Hitze und extreme Niederschläge werden durch die Klimakrise wahrscheinlicher. Sie bedroht alles, was ein gutes Leben ausmacht: auch den Fußball!

Ein Gastbeitrag von Henning Flaskamp, Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen*

Am 24. Juli 2018 gewann Bayer Leverkusen erwartungsgemäß sein Testspiel gegen den Wuppertaler SV mit 2:0. Dass die Begegnung überregionale Schlagzeilen produzierte, hatte einen anderen Grund: Der damals 28-jährige Karim Bellarabi erlitt an diesem sehr heißen Tag einen Kreislaufkollaps und wurde vorsichtshalber ins Krankenhaus eingeliefert.

Die renommierte medizinische Fachzeitschrift The Lancet geht davon aus, dass der Hitzesommer 2018 in Deutschland mehr als 20.000 Todesfälle verursacht hat. Hitzewellen stellen in Deutschland das größte klimawandelbedingte Gesundheitsrisiko dar, insbesondere alte Menschen, chronisch Kranke oder auch Schwangere sind gefährdet – und eben Menschen, die draußen arbeiten müssen, wie Profifußballer*innen.

Von allem zu viel oder zu wenig

Aber auch die extremen Niederschlagsmengen und heftigen Wintereinbrüche, die zuletzt den Spielbetrieb durcheinandergewirbelt haben, stehen in Zusammenhang mit dem Klimawandel. Die Grundregel lautet: Das Wetter wird nicht nur wärmer, sondern extremer. Auf Dürren folgen Überschwemmungen. Es gilt das Prinzip: Von allem zu viel oder zu wenig.

Dass das DFB-Pokalspiel in Saarbrücken abgesagt werden musste, liegt sicher auch am Fehlen einer professionellen Rohr-Drainage im Ludwigspark. Klar ist aber: Die Wahrscheinlichkeit wetterbedingter Spielabsagen steigt durch die Klimakrise erheblich. Auch in München und Mainz konnten in dieser Saison Spiele aufgrund extremer Wetterbedingungen nicht wie geplant stattfinden. Als Einzelfälle wäre das nichts Neues oder Ungewöhnliches. Aber von Einzelfällen kann man nicht mehr sprechen.

Den Profivereinen stehen dabei noch deutlich bessere Möglichkeiten zur Verfügung, auf die sich verändernden Rahmenbedingungen zu reagieren. Für den Amateur- und Jugendfußball wird die Konsequenz sein, dass aufgrund von Hitze und Extremwetter an deutlich weniger Tagen im Jahr Fußball gespielt werden kann.

Klimakrise: Ungesund und ungerecht

Die Klimakrise ist ungerecht und das gilt – in mehrerlei Hinsicht - auch für den Fußball. Je mehr Budget die großen Vereine haben, desto weniger fallen für sie fehlende Einnahmen durch Spielabsagen oder die Kosten für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel ins Gewicht. Damit Stadionbesuche an heißen Tagen nicht zur Gefahr für die Fans werden, müssen Vereine in absehbarer Zeit ihre Infrastruktur anpassen und zum Beispiel über Trinkwasserspender und Beschattung nachdenken. Das kostet Geld. Geld, das den Champions-League-Clubs nicht wehtut. Einem FC St. Pauli und vielen anderen Vereinen womöglich schon.

Nicht nur die Hitzegefahr beim Stadionbesuch macht die gesundheitliche Dimension der Problematik deutlich. Aktiv Fußball zu spielen, ist gesund. Sportliche Bewegung tut uns Menschen körperlich und psychisch gut. Bei praller Sonne und 30 Grad Lufttemperatur riskieren jedoch selbst fitte junge Menschen bei Sport im Freien Sonnenbrand, Herz-Kreislauf-Probleme bis hin zu potenziell tödlichen Hitzeschlägen. Die Klimakrise bringt also nicht nur unmittelbare Folgen für unsere Gesundheit mit sich, sie erschwert es auch, uns gesund zu verhalten.

Teil der Lösung werden

Vielmehr als dass er Teil des Problems ist, kann der Profifußball Teil der Lösung sein. Denn er ist Millionen Menschen wichtig und kann sie emotional erreichen. 1,5° oder 2° – das klingt nach der Entscheidung, ob man eine Übergangsjacke anzieht oder nicht. Aber: Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns. Es geht um uns und eine lebenswerte Zukunft. Eine Zukunft, in der Fußball gespielt und geguckt werden kann. Profivereine können mit ihrer Reichweite dabei helfen, diese Botschaft zu verbreiten.

Die Idee für diesen Gastbeitrag ist entstanden, als ich über die Meldung gestolpert bin, dass der FC St. Pauli seine Trainingswoche aufgrund der durch extreme Regenfälle unbespielbar gewordenen Trainingsplätze in Norddeutschland nach Mallorca verlegt. Sie zeigt die Ambivalenzen gut auf: Der Verein ist in diesem Fall von den Folgen des Klimawandels betroffen. Die gefundene Lösung ist in Hinblick auf organisatorischen Aufwand, Kosten und PR-Folgen alles andere als optimal – für das Klima natürlich auch nicht. Das Dilemma ist bekannt: Wer auf steigende Temperaturen mit energiehungrigen Klimaanlagen reagiert, verschärft mit dieser Anpassungsmaßnahme das Problem, das ihn zur Anpassung zwingt. Die Diskussion, was im Einzelfall notwendig oder gerechtfertigt ist, ist das eine. Spannender aber ist ein Blick auf das große Ganze.

Der Profifußball bringt Großveranstaltungen mit hohem Energie- und Ressourcenverbrauch hervor und sollte sich aus oben genannten Gründen im Rahmen seiner Möglichkeiten bemühen, nachhaltiger zu werden. Viel bedeutender als die Verringerung des ökologischen Fußabdrucks der Vereine ist aus meiner Sicht jedoch die Vergrößerung ihres Handabdrucks. Vereine und Spieler*innen können ihren Fans als Vorbilder zeigen, was notwendig und möglich ist. Sie können und sollten, auch aus eigenem Interesse, Position für den Schutz unserer Lebensgrundlagen beziehen und als gesellschaftlicher Multiplikator wirken. Das geht auch, ohne schon selbst perfekt nachhaltig aufgestellt zu sein. Menschen sind bekanntermaßen konsequent inkonsequent. Deswegen ist es auch besser, wenn ein junger Fußballprofi, der vielleicht eine dicke Karre fährt, trotzdem auf die Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung für die Gesundheit von Menschen und Erde hinweist, als wenn er darauf aus Sorge um Widersprüche verzichtet.

Was ist uns wirklich wichtig?

Der Treiber der Klimakrise ist eine Wirtschaftsweise, die auf dem Verbrennen fossiler Brennstoffe basiert. Die Transformation und politische Veränderung, die notwendig sind, um das zu überwinden, gewinnen an Fahrt je größer die Zustimmung in der Bevölkerung dafür ist. Hier kann der Fußball eine wichtige Rolle einnehmen. Indem er sich selbst verändert und sich an der Diskussion über die entscheidende Frage beteiligt: Was ist uns wirklich wichtig? Wirklich wichtig ist nämlich gar nicht, alle drei Jahre einen neuen Fernseher zu kaufen, der etwas größer ist, als der vorherige, sondern dass Fußball läuft, wenn man ihn einschaltet. Oder noch besser: Dass man Fußball im Stadion gucken kann, ohne vor Hitze umzukippen.

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*Henning Flaskamp leitet die Kommunikation der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen und ist Hobbyfußballer sowie Fußballfan. „Es ist schwer, ehrenamtlich die Welt zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören.“ Deshalb hat Dr. Eckart von Hirschhausen die Stiftung Gesunde Erde - Gesunde Menschen gegründet. Sie mobilisiert Gesundheitswesen, Politik und Gesellschaft
für den Schutz der planetaren Gesundheit und eine enkeltaugliche Zukunft. Mit Kommunikation, die Kopf und Herz erreicht. Denn: Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde. 

 

Foto: FC St. Pauli

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