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Fussball um die Wurst: Erfolgreiche Premiere im FCSP-Museum

Großer Andrang bei der ersten öffentlichen Veranstaltung im Foyer des zukünftigen FC St. Pauli-Museums am vergangenen Mittwoch (26.4.): Hätte es Tickets gegeben, hätte man „ausverkauft“ melden müssen. Trotz rasch herangeschaffter Zusatz-Sitzgelegenheiten waren alle Plätze besetzt, und so verfolgte eine Reihe von Besuchern sogar stehend am „Empfangstresen“, wie Sporthistoriker Dr. René Wiese und Zeitzeugen die Zeit der braun-weißen „Wunderelf“ wieder zum Leben erweckten.

Der facettenreiche Abend fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Sport in Politik, Geschichte und Gesellschaft“ der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Zentrum deutsche Sportgeschichte statt, und so konnte sich Gastgeber 1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V. nicht nur über die erfolgreiche Einweihung des (noch von den Bauarbeiten geprägten, aber dank vieler Helfer einsatzbereiten) Foyers, sondern auch über eine gelungene Kooperation freuen.

Zum Thema „Fußball um die Wurst – der FC St. Pauli und die deutsch-deutsche Nachkriegszeit“ wurde Kennern der Vereinsgeschichte viel Neues geboten: So gab es, wie René Wiese mit vielen faszinierenden Fotos und Dokumenten zeigte, nicht nur großes Interesse Dresdner und Berliner „Fußballcracks“ wie „Zonenspringer“ Helmut Schön, sich der Nachkriegsmannschaft um Karl Miller und Harald Stender anzuschließen (schließlich wurde aktive Mitarbeit mit nahrhaften Gaben aus Vater Millers Schlachterei belohnt).

Auch der Reiseverkehr aus Hamburg in Richtung Osten war durchaus rege. Nicht nur zum legendären Meisterschafts-Viertelfinale gegen Union Oberschöneweide (heute Union Berlin) im ausverkauften Olympiastadion (7:0 für den FC St. Pauli), sondern auch zu mehreren Freundschaftsspielen reisten die Kiezkicker durch und in die entstehende DDR. Anfangs waren ihre Besuche von (politisch gewollten) begeisterten Schlagzeilen begleitet, die die verbindende Wirkung des Sports und die Freundschaft zwischen Ost und West feierten.

Später wich diese Begeisterung einer nüchterneren Betrachtungsweise. Das Freundschaftsspiel gegen den SC Empor Rostock 1956 (das die Gastgeber mit 2:0 für sich entschieden – „unerwartet“, wie die Presse zugab) wurde nicht mehr symbolisch aufgeladen, sondern im Stile des klassischen Sportjournalismus dargestellt: „Abschlag – quer – steil – Tor!“

Faszinierend auch der Fall des ehemaligen West-Vertragsspielers Walter Böhme, der in die DDR wechselte und über seine Erfahrungen sogar ein Buch veröffentlichte („... spielte für Geld“, 1958). Wobei die Summen, um die es ging, aus heutiger Sicht lächerlich gering sind: Es ging um zwei- bis dreistellige Beträge in Mark, wie die Zeitzeugen Dieter Rittmeyer und Herbert Kühl berichteten.

Dieter Rittmeyer, vielen St. Paulianerinnen und St. Paulianern u.a. als langjähriges Mitglied Herrenfußball-Abteilungsleitung bekannt sowie Wegbereiter und Namensgeber des Dieter-Rittmeyer-Archivs im zukünftigen FCSP-Museum, wuchs als „Junge aus dem Viertel“ nahe den Landungsbrücken auf, kam früh über den legendären Jugendleiter „Käppen“ Rudolph zum Fußballsport und war später einer der Leistungsträger in der Amateurmannschaft des FC St. Pauli.

Das Wiedersehen mit Ex-FCSP-Verteidiger Herbert Kühl, der in seiner Kindheit als Straßenfußballer mit Uwe und Dieter Seeler in der legendären „Frickestraßen-Mannschaft“ kickte, 1952 als 20-Jähriger vom SC Victoria ans Millerntor wechselte, rasch zum Leistungsträger und ab 1959 bis zu seinem Abschied 1962 schließlich sogar zum Mannschaftskapitän avancierte, bereitete beiden sichtlich Freude.

Rasch wurde deutlich, dass ein Abend nie genug sein kann, um die unzähligen Erinnerungen an legendäre Begegnungen im alten Millerntor an der Glascischaussee, das rau-herzliche Kennenlernen mit „Wunderelf“-Ikonen wie Walter Dzur („Für dich immer noch Herr Dzur“), das Umziehen im „Seuchenkeller“ unter dem Café Siegler, die Reisen in den Osten und vieles mehr zu fassen.

Diesen Reichtum an Erinnerungen zu bewahren und ihn für spätere Generationen nachvollziehbar zu machen, zählt zu den wichtigsten Aufgaben des zukünftigen FCSP-Museums und des Dieter-Rittmeyer-Archivs, das eine sehr aktive Arbeitsgruppe um Koordinator Rainer Klinitzki zurzeit aufbaut.

Historiker und 1910 e.V.-Vorstand Michael Pahl berichtete von den vielen Interviews, die er mit Zeitzeugen und ihren Angehörigen für die Jubiläumschronik „FC St. Pauli. Das Buch“ führte – und über die Entdeckerfreunde, lang gesuchtes Bildmaterial wie ein Motiv des Nationalspielers und „Wunderelf“-Gründers Karl Miller mit Schweinehälfte auf der Schulter endlich in der Hand zu halten (das Bild ist im Kapitel „Für eine Handvoll Schnitzel“ im FC St. Pauli Album abgebildet).

Dr. Sabine Bamberger-Stemmann, Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, dankte abschließend den Zeitzeugen, Dr. René Wiese, den vielen anwesenden Gästen und den Mitgliedern und Aktiven von 1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V.: „Es war faszinierend, ein Museum im Aufbau zu erleben. Wir wünschen diesem spannenden Projekt eine erfolgreiche Zukunft. Über den guten Besuch und die vielen interessanten Inhalte freuen wir uns sehr – wir können uns gut vorstellen, die erfolgreiche Zusammenarbeit in der Zukunft zu wiederholen!“

Bleibt nur eine Frage, die Moderator Christoph Nagel am Ende der Gesprächsrunde stellte: Wenn man nun eine Zeitmaschine hätte und zu einem bestimmten Ereignis der braun-weißen Geschichte zurückkehren könnte, nur für einen Tag – welchen Tag würde man dann wohl wählen? Herbert Kühl musste nicht lange überlegen: „Mein erstes Spiel für den FC St. Pauli, 1952. Das würde ich wirklich gern noch einmal erleben.“

Mehr Fotos zur Veranstaltung von Antje Frohmüller: KLICK!

Hier gibt's den Flyer zur Veranstaltungsreihe „Sport in Politik, Geschichte und Gesellschaft“: KLICK!

Hier geht's zur Website von 1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V.: KLICK!

Vordere Reihe (v.l.n.r.): Zeitzeugen Dieter Rittmeyer und Herbert Kühl sowie Dr. Sabine Bamberger-Stemmann (Leiterin Landeszentrale für politische Bildung Hamburg) Hintere Reihe (v l.n.r.): Sporthistoriker Dr. René Wiese sowie Michael Pahl und Christoph Nagel (Vorstand 1910 e.V.)

Vordere Reihe (v.l.n.r.): Zeitzeugen Dieter Rittmeyer und Herbert Kühl sowie Dr. Sabine Bamberger-Stemmann (Leiterin Landeszentrale für politische Bildung Hamburg) Hintere Reihe (v l.n.r.): Sporthistoriker Dr. René Wiese sowie Michael Pahl und Christoph Nagel (Vorstand 1910 e.V.)

(MvH)

Fotos: Antje Frohmüller

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